Tarifrunde 2018

Drei Mal Siemens im Warnstreik

10.01.2018 | Gut 300 Beschäftigte beteiligten sich am Mittwoch an Warnstreiks bei den drei Leipziger Siemens-Standorten. Bei strahlendem Sonnenschein trafen sie sich bei der Kundgebung vorm Werktor der von Schließung bedrohten Siemens Compressor Systems GmbH in Plagwitz.

Warnstreik vor dem Tor von Siemens Compressor Systems in Leipzig-Plagwitz

Wecker klingeln, Trillerpfeifen sind zu hören, die Sonne strahlt dazu. Gut 300 Beschäftigte der drei Leipziger Siemens-Standorte kamen am Mittwoch zur Warnstreikkundgebung vor das Werktor der Siemens Compressor Systems GmbH in Plagwitz. Im Rahmen der Tarifrunde 2018 für die Metall- und Elektroindustrie legten die Beschäftigten für mehrere Stunden die Arbeit nieder.

Zwei Verhandlungsrunden für die Metall- und Elektroindustrie waren bisher ergebnislos verlaufen. Die IG Metall fordert für die bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten eine Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen um 6 Prozent für eine Laufzeit von 12 Monaten sowie einen individuellen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten. Dazu zählen etwa Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen. Beschäftigte mit besonders schwerer Arbeit sollen in besonderen Lebenssituationen einen Teillohnausgleich vom Arbeitgeber bekommen. Überdies fordert die IG Metall eine Verhandlungsverpflichtung über die Angleichung der Arbeitszeiten in Ost- und Westdeutschland. Im Westen beträgt die tarifliche Wochenarbeitszeit 35 Stunden, im Osten sind es 38 Stunden.

Die Entgeltforderung setze sich jeweils zusammen aus der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank, dem erwarteten Produktivitätsanstieg und einer Umverteilungskomponente, erklärte Thomas Arnold von der IG Metall Leipzig in seiner Rede. Mit einer erwarteten Inflation von zwei Prozent, einem Produktivitätsanstieg von einem bis 1,5 Prozent und 2,5 bis 3 Prozent Umverteilungskomponente komme die diesjährige Forderung von 6 Prozent zustande. Die Umverteilungskomponente beschreibt dabei das Stück vom Kuchen, das die Arbeitenden für sich verlangen. „Schließlich sind sie es, die Gewinnsteigerungen mit ihrer Hände Arbeit erwirtschaften“, so Arnold weiter.

Eine Strategie der IG Metall Leipzig in der Tarifrunde 2018 ist es, dass alle Belegschaften aus im Arbeitgeberverband organisierten Betrieben in der laufenden Warnstreikbewegung mindestens einmal beteiligt sind, „damit nicht ein Arbeitgeber sich hinstellen kann und sagen: Mich betrifft das nicht, meine Belegschaft ist ruhig“, sagte Thomas Arnold. „Es gibt keine Zaungäste bei dieser Auseinandersetzung.“ Gespräche über neue Arbeitszeitmodelle mit Teillohnausgleich lehnen die Arbeitgeber bislang kategorisch ab.

Umso wichtiger ist es, dass die Gewerkschaftsmitglieder geschlossen stehen und sich an den Aktionen beteiligen.

Bei seinem Besuch in Chemnitz, wo heute ebenfalls gestreikt wurde, habe er auch fragende Blicke bekommen, ob er denn nicht beim von Schließung bedrohten Leipziger Kompressorenwerk genug zu tun hätte, erzählte Thomas Clauß, Betriebsratsvorsitzender von Siemens Compressor Systems in Plagwitz. „Sicher ist das so, aber Solidarität hört für mich weder am Werktor noch an der Stadtgrenze auf. Darum war es für mich selbstverständlich, dass ich auch in Chemnitz als Metaller den Warnstreik unterstütze, bevor ich hier vor euch spreche.“

Neben der Tarifauseinandersetzung, die alle Siemens-Standorte betrifft, geht es im Kompressorenwerk konkret um den Erhalt des Standortes. Die Belegschaft der Howden Turbo GmbH, bis vor kurzem ebenfalls eine Siemens-Tochter, hat die Auseinandersetzung hinter sich und den Kampf gewonnen. Siemens verkaufte die Fabrik an den schottischen Maschinenbauer Howden. Im Ergebnis waren der Standort und der Großteil der Arbeitsplätze gerettet.

Der Frankenthaler Betriebsratsvorsitzende Hilmar Feisthammel war mit Kollegen aus der Pfalz nach Leipzig gereist, um am Neujahrempfang für die hiesige Belegschaft und deren UnterstützerInnen teilzunehmen. Auf der Streikkundgebung machte er den Anwesenden Mut. Sie hätten es in Frankenthal geschafft, dass sich ihr Konzept durchsetze; zum einen weil es unternehmerisch das bessere Konzept gewesen sei, zum anderen, weil die Belegschaft immer wieder mit Protesten auf sich und ihre Anliegen aufmerksam gemacht hätte.

Nach etwas über einer Stunde war die Kundgebung beendet. Die Belegschaften vom Siemens Schaltanlagenbau in Böhlitz-Ehrenberg sowie der Siemens Niederlassung fuhren zurück in ihre Betriebe, und die Kolleginnen und Kollegen in Plagwitz nahmen die Arbeit in ihrem Werk wieder auf.

Insgesamt beteiligten sich im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen 1850 Beschäftigte an den Warnstreiks. In Berlin waren es 700, in Brandenburg insgesamt 650 und ich Sachsen neben den 300 in Leipzig noch 200 Kolleginnen und Kollegen von Siemens in Chemnitz. Bundesweit legten knapp 75 000 Beschäftigte aus 350 Betrieben zeitweise die Arbeit nieder.

Die nächste Verhandlungsrunde für die sächsische Metall- und Elektroindustrie findet am 18. Januar in Leipzig statt. jme

Unsere Social Media Kanäle