Solidarität mit den streikenden Erzieherinnen und Erziehern

Warum streiken die Beschäftigten in den Kitas?

18.05.2015 | Wir brauchen mehr Personal in wichtigen sozialen Bereichen, in Kitas, in der Jugendhilfe, in der Altenpflege, in Krankenhäuser, in anderen sozialen Diensten und dieses Personal muss endlich angemessen bezahlt werden.

400 Kolleginnen und Kollegen auf der GEW Streikversammlung am 18.05.2015 im Leipziger Clarapark

Die Anforderungen haben sich gerade für Erzieherinnen und Erzieher in den letzten Jahren deutlich erhöht: Sprachförderung, Inklusion und naturwissenschaftlich-technische Frühförderung gehören ebenso zu ihrer Arbeit wie Bewegungserziehung, Integration und regelmäßige Elternarbeit. 20 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher arbeiten seit Jahren am Limit – gesundheitlich und nervlich. Das ist weit mehr, als in anderen Berufsgruppen. „Jeder Tag ist eine Zerreißprobe“, sagen viele Erzieher. (Vgl.: Süddeutsche Zeitung, 20.4.2015)

Im krassen Gegensatz zu der verantwortungsvollen Arbeit steht die Bezahlung. Eine Erzieherin bekommt zum Einstieg – nach vier bis fünf Jahren Ausbildung – gerade knapp 2.400 Euro brutto im Monat. Nach vier Jahren sind es immer noch weniger als 2.800 Euro. Aber nur auf dem Papier, denn mehr als 60 Prozent der Stellen werden in Deutschland nur noch als Teilzeitstellen angeboten, in einigen Bundesländern sind es sogar über 80 Prozent. Da reicht das Geld oft genug nicht zum Leben. Morgens Kita, abends babysitten, kellnern, putzen oder Regale einräumen, nur um über die Runden zu kommen.

Das ist leider typisch für einen klassischen Frauenberuf. In den Kitas sind 95 Prozent der Beschäftigten weiblich. Und die wollen endlich für ihre pädagogische Facharbeit auch bezahlt werden wie Facharbeiter. Es gibt keine Begründung dafür, dass Pflegekräfte oder Erzieherinnen teilweise nur halb so viel Geld bekommen, wie Facharbeiter in der Automobil- oder Chemieindustrie. Gute Arbeit, gute Leute, gutes Geld – das gehört zusammen, egal in welcher Branche.

Die Erzieherinnen und Erzieher fordern eine bessere Anerkennung ihrer Arbeit, die so wichtig ist für die Gesellschaft. Sie haben es lange mit Argumenten versucht, in Verhandlungen und Gesprächen. Sie wurden immer wieder mit guten Worten abgespeist. Deshalb kämpfen die Kolleginnen und Kollegen in den Sozial- und Erziehungsberufen jetzt für die überfällige Aufwertung ihrer Arbeit: durchschnittlich 10 Prozent mehr Gehalt und eine gerechtere Eingruppierung von Leistungskräften. Nur so können die sozialen Berufe wieder attraktiver werden, für den dringend benötigen Nachwuchs, nur so können wir sicherstellen, dass Kinder auch morgen noch gut betreut werden und gute Startchancen für ihr Leben mitbekommen.

Erzieher fehlen an allen Ecken und Kanten. Eltern merken das immer wieder, wenn sie ihre Kinder erst später in den Kindergarten bringen oder früher abholen müssen, weil Personal fehlt. Es herrscht eklatanter Mangel an Fachkräften. Es kann vorkommen, dass von den Stellen auf dem Papier nur die Hälfte besetzt ist. Es kann vorkommen, dass Erzieher krank zur Arbeit gehen, damit der Betrieb halbwegs aufrechterhalten werden kann. Einrichtungen, die eigentlich noch genug Personal haben, kommen in die Bredouille, sobald jemand krank wird. Denn in vielen Bundesländern gibt es längst keine Springer mehr, ist der Pool mit Aushilfen leergefegt.

Inklusion ist gesetzlich gewollt. Behinderte und nicht behinderte Kinder besuchen gemeinsam eine Tagesstätte, lernen und profitieren voneinander. Damit dieses Ziel gelingt, braucht es spezielles Personal: Heilpädagogen. Die haben aber kaum die nötige Zeit für ihre eigentliche Aufgabe. Weil überall Personal fehlt, werden sie im ganz normalen Gruppendienst eingesetzt. Fehlt der Koch, müssen sie sich oft genug um das Mittagessen kümmern. Weil Erzieherinnen und Erzieher fehlen, übernehmen Kinderpfleger deren Aufgabe, obwohl sie eine kürzere Ausbildung haben und weniger verdienen.

„Jonglieren, organisieren und improvisieren“ – so beschreiben Leiter von Kindertagesstätten ihren Job. (Vgl.: Süddeutsche Zeitung, 6.5.2015) Die Verwaltungsaufgaben steigen ständig an. Entlastung gibt es aber nicht. Häufig haben Leiterinnen von Kindertagesstätten nicht einmal mehr einen Stellvertreter, weil die Verantwortung nicht entsprechend honoriert wird.

Erzieherinnen und Erzieher ermöglichen den Eltern, arbeiten zu gehen und damit dem Staat, Steuereinnahmen zu erzielen, bekommen dafür aber nicht genug Wertschätzung. Ihre Arbeit wird nicht der Bedeutung gemäß bezahlt.

Die Probleme sind den Arbeitgebern seit langem bekannt. Getan hat sich nichts. Die Arbeitgeber haben leider in fünf Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt. Stattdessen haben sie nur vage „Vorschläge“ gemacht. Vorschläge, die immer mit einem „vielleicht“ begannen und mit den Worten „nicht für alle - nur für einige“ endeten. Jetzt reicht es.

Wenn das eigene Kind nicht in die Kita kann, macht das Mühe und Stress. Aber schuld sind daran nicht die Erzieherinnen. Wenn wir auch in Zukunft eine gute Erziehung für unsere Kinder haben wollen, wenn wir sicher sein wollen, dass unsere Kinder eine gute Grundlage für ihr Leben mitbekommen, dann müssen wir die Erzieherinnen und Erzieher jetzt unterstützen.

Es geht nicht um einen „Machtkampf“. Es geht um vernünftige Rahmenbedingungen, um gute Arbeit und anständige Bezahlung für die Erzieher. Sie sollen wieder in die Lage versetzt werden, sich ganz und gar unseren Kindern zu widmen. Es geht darum, ob wir ihre Arbeit auch wertschätzen.

Deswegen müssen wir als Eltern, Großeltern, Freunde und Verwandte Druck machen auf die kommunalen Arbeitgeber: auf Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte, auf Ratsfraktionen und die Fraktionsvorsitzenden. Die sollen unseren Ärger abkriegen. Und endlich dafür sorgen, dass die Betreuung unserer Kinder wertgeschätzt und entsprechend bezahlt wird.

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