Wintereinbruch und Arbeitsweg

Zu spät wegen Eis und Schnee?

06.12.2021 | Inzwischen hat sich der Winter in vielen Regionen mit Nachdruck gemeldet – und sorgt mancherorts für Chaos. Eis und Schnee können sich auch auf den Weg zur Arbeit auswirken. Gewerkschaftsjurist Dr. Till Bender erklärt, was Arbeitnehmer beachten müssen.

Foto: trendobjects/iStock

Grundsätzlich gilt, dass es Sache des Arbeitnehmers ist, wie er zur Arbeit kommt. Er schuldet pünktliches Erscheinen, wie er dies erreicht, ist nicht Problem des Arbeitgebers. Man spricht insofern auch davon, dass die Arbeitnehmerin beziehungsweise der Arbeitnehmer das Wegerisiko trägt.

Wenn der Arbeitnehmer also aufgrund der Witterung zu spät zur Arbeit erscheint, hat er für die Zeit, in der er oder sie nicht gearbeitet hat, auch keinen Anspruch auf Lohn. Es gilt das allgemeine Prinzip: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Das bedeutet aber auch, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die ausgefallenen Stunden grundsätzlich nicht nachholen müssen.


Arbeitszeit ist Eigenverantwortung

Anders ist es, wenn bei der Arbeitgeberin ein Überstundenkonto geführt wird. Die ausgefallenen Stunden werden dann als Minusstunden verbucht und können entsprechend zu einer späteren Zeit nachgeholt werden. Die Arbeitgeberin kann aber niemanden zwingen, die morgens ausgefallenen Stunden abends dranzuhängen, insbesondere dann nicht, wenn etwa eine Teilzeitkraft mittags gehen muss, weil ein Kind von der Schule abzuholen ist.

Aber um es noch einmal klar zu sagen: Jeder ist selbst dafür verantwortlich, dass er pünktlich zur Arbeit erscheint. Bei Verspätungen entfällt grundsätzlich der Lohnanspruch und zwar unabhängig davon, ob die Verspätung selbst verschuldet ist oder nicht!


Verhinderung aus subjektiven Gründen

Der Arbeitgeber muss nur in wenigen Ausnahmefällen trotz fehlender Arbeit den Lohn weiter zahlen und zwar dann, wenn der Arbeitnehmer „eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“, also der Arbeit fernbleibt. Schneefall oder Glatteis sind aber keine „in der Person“ liegenden, sondern objektive Gründe, die alle in gleichem Maße treffen. Das gleiche gilt bei Hochwasser, Demonstrationen, Straßensperren, allgemeinen Fahrverboten oder bei Streiks der Verkehrsbetriebe.

Ein subjektiver Grund liegt zum Beispiel vor, wenn aufgrund der Witterung der Kindergarten oder die Schule geschlossen bleibt und der Arbeitnehmer keine andere Betreuungsmöglichkeit findet. Denn der Grund für die Arbeitsverhinderung liegt dann „in der Person“ des Arbeitnehmers, weil sein eigenes Kind unbedingt Betreuung braucht. In diesem Fall besteht zumindest für einige Tage Anspruch auf Weiterzahlung des Lohnes. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 616 BGB. Die Bestimmung des § 616 BGB ist jedoch abdingbar, das heißt, es kann nicht nur eine Verbesserung zugunsten der Arbeitnehmer vorgenommen werden, sondern der Anspruch kann beschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen werden. Möglich ist dies sowohl durch Arbeitsvertrag als auch durch Tarifvertrag, unter Umständen auch durch Betriebsvereinbarung.


Abmahnung wegen witterungsbedingter Verspätung

Eine andere Frage ist, ob die Verspätungen wegen Eis und Schnee dazu führen können, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung ausspricht. Hier kommt es auf den Einzelfall an, weil eine Abmahnung nur für ein vorwerfbares Verhalten ausgesprochen werden darf. Eine Abmahnung bei einem kurzfristigen Wintereinbruch oder wenn es wegen eines Unfalls zu Verkehrschaos kommt, wäre sicher nicht zu rechtfertigen. Man wird vom Arbeitnehmer aber verlangen können, dass er sich grundsätzlich auf die Witterungssituation einstellt und entsprechend mehr Zeit einplant. Die Ausrede, wegen des Schnees nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen zu können, dürfte der Arbeitgeber spätestens nach drei oder vier Tagen nicht mehr hinnehmen. Dann wäre eine Abmahnung gerechtfertigt, insbesondere, wenn alle anderen Mitarbeiter pünktlich sind.

Auch die Fälle von „höherer Gewalt“ schließen eine Abmahnung aus, hierbei muss man allerdings vorsichtig sein: Nicht jeder unerfreuliche Umwelteinfluss stellt einen Fall der „höheren Gewalt“ dar. Hiervon kann man nur seltenen Fällen sprechen, wenn etwa der Deutsche Wetterdienst die Bevölkerung aufgefordert, wegen Überschwemmungen oder Eisglätte nicht auf die Straße zu gehen. Solche Ereignisse, gegen die sich kein Arbeitnehmer wappnen kann, führen ebenfalls bei Nichterscheinen bei der Arbeit nicht zu einer Abmahnung.


Wegeunfall

Bei ungünstiger Witterung kommt es vermehrt zu Unfällen. Rechtlich gilt hier das, was auch sonst bei Wegen von und zur Arbeit gilt: Wenn sich der Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeit ereignet hat, gilt er als Arbeitsunfall, die Behandlungskosten werden von der Berufsgenossenschaft übernommen; diese zahlt gegebenenfalls auch eine Verletztenrente.

 

Arbeitsausfall wegen schlechter Witterung

In Ausnahmefällen mag es sogar vorkommen, dass die Arbeit überhaupt nicht stattfinden kann, weil es witterungsbedingt zu größeren Störungen des Betriebsablaufs kommt. Dieses Problem betrifft jedoch nicht mehr das Wegerisiko, sondern das allgemeine Betriebsrisiko und das trägt grundsätzlich die Arbeitgeberin. Wenn Risiken aus der Sphäre der Arbeitgeberin dazu führen, dass die Arbeit unmöglich ist, kann dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen und das bedeutet, der Arbeitnehmer erhält seinen Lohn weiter, auch wenn er nicht arbeitet.

Unter Umständen kann in solchen Situationen aber die Bundesagentur für Arbeit mit Kurzarbeitergeld einspringen, im traditionell saisonabhängigen Baugewerbe besteht zudem Anspruch auf Saisonkurzarbeitergeld.


Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 1982, Az.: 5 AZR 283/80

Quelle: www.igmetall.de

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