Sonderausgabe VL News Porsche Leipzig GmbH

Jetzt Angleichung vollenden!

03.06.2021 | Fragen der VL-News-Redaktion an Bernd Kruppa, Erster Bevollmächtigter IG Metall Leipzig zum aktuellen Stand der Tarifrunde in der sächsischen Metall- und Elektroindustrie.

Zweiter ganztägiger Warnstreik Porsche Leipzig GmbH am 28. April 2021 Foto: Norbert Neumann

Wie bewertest du den aktuellen Verhandlungsstand mit dem sächsischen Arbeitgeberverband VSME?

Vorbehaltlich einer konkreten Beschlussvorlage für eine tarifliche Öffnungsklausel zum Thema Angleichung kann unsere Tarifkommission (am 26. Mai) dem Pilotabschluss aus NRW für das Tarifgebiet Sachsen zustimmen. Dieser enthält eine Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro netto (Auszubildende 300 Euro) bis spätestens Ende Juli 2021. Darüber hinaus gibt es eine neue tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 18,4 Prozent zu Ende Februar 2022, die sich danach auf jährlich 27,6 Prozent eines monatlichen Bruttoentgeltes erhöht. Zudem wurden die tariflichen Regelungen zur Beschäftigungssicherung und Übernahme der Auszubildenden wieder in Kraft gesetzt. Entscheidend für uns ist aber jetzt, wie es in der  Angleichungsfrage weitergeht. Hierzu haben sich IG Metall und der sächsische Arbeitgeberverband VSME eindeutig verpflichtet, kurzfristig Verhandlungen aufzunehmen. Bis zum 30. Juni 2021 soll ein tariflicher Rahmen geschaffen werden, der freiwillige Betriebsvereinbarungen zur Angleichung ermöglicht und dazu entsprechende Kompensationsleistungen regelt. Damit ist das Arbeitszeitdiktat der Arbeitgeber gebrochen. (Die Erklärungsfrist hierzu endet für die Tarifvertragsparteien am 31. Mai 2021- Anmerkung der Redaktion)

Was ist unter Kompensationsleistungen zu verstehen?

Die IG Metall und ihre Betriebsräte bei Porsche und BMW haben dazu sehr detaillierte bzw. differenzierte Lösungsvorschläge unterbreitet. Denkbar sind Teilkompensationen aus dem NRW-Abschluss, Vereinbarungen zu bestehenden T-ZUG-Regelungen bis hin zu Anrechnungen von Teilen der Sonderzahlungen. Auch die Streckung der jeweiligen Angleichungsschritte mit Beginn im Jahr 2022, danach verteilt auf wenige Jahre bis zur Vollendung der Angleichung - ist eine besondere Form des Entgegenkommens. Sicher kann auch über Maßnahmen der  Produktivitätsverbesserungen im Zuge der Standortsicherungsverhandlungen gesprochen werden. Wir erwarten hier eine klare Positionierung der Konzernleitung zur Erhöhung der Fahrzeugmengen, damit die Effizienz bei der jetzt schon vorhandenen hohen Flexibilität in einem der modernsten
Automobilwerke der Welt voll zu Geltung kommen kann. Es liegt jetzt am Porsche-Management in Zuffenhausen Lösungen anzubieten und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Schließlich hat die Konzernleitung bereits beim Abschluss des Tarifvertrages aus dem Jahre 2018 ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, an der Lösung des Angleichungsfrage mitzuwirken. Wir fordern eine klare, tarifliche, ergänzende Vereinbarung. Um es ebenso deutlich zu sagen: Reine Tauschgeschäfte sind keine Angleichung!

Wie erklärst du dir das Verhalten der Konzernführung oder welche Rolle spielt der Arbeitgeber Porsche?

Dazu erst einmal ein Blick zurück: Bereits im Rahmen der Gespräche zur Standortsicherungs-Vereinbarung 2016/2017 war die Kostenwirkung einer möglichen tariflichen Arbeitszeitverkürzung Thema. In Betriebsversammlungen wurde mehrfach suggeriert, das Thema Angleichung würde sich mit der Verschmelzung der PLG mit der PAG von selbst erledigen. Der Übergang der PLG vom Haustarifvertrag in den Flächentarifvertrag für
die sächsische Metall- und Elektroindustrie mit Eintritt in den VSME war somit keine Wohltat, sondern reines politisches Kalkül. Der Weg für die IG Metall mit ihren inzwischen rund 2.500 Mitgliedern, die 35-Stunden-Woche direkt gegenüber dem Arbeitgeber zu fordern, war damit verbaut. Die PLG hält sich dabei nicht einmal voll inhaltlich an alle Regelungen des Flächentarifvertrages. Ausnahmen gibt es beispielsweise nach wie vor bei den Themen Zuschläge, bei Frühschichten an Samstagen, fehlenden Leistungszulagen im indirekten Bereich und zusätzlicher Flexibilität. Porsche versteckt sich hier hinter einer Kleinstverbandsstruktur im sächsischen Arbeitgeberlager, spielt keine aktive Rolle und betreibt »Rosinenpickerei«, nämlich Regelungen zu nutzen, die ihnen Vorteile verschaffen und zu Lasten der Beschäftigten gehen und gleichzeitig 31 Jahre nach der Wiedervereinigung die Angleichung der Arbeitsbedingungen zu verweigern. Das ist ganz im Sinne der westdeutschen Arbeitgeberverbände, die nie ihren Frieden mit der 35-Stunden-Woche gemacht haben. Für sie sind Abweichungen von der Fläche nach dem Pforzheimer Abkommen selbstverständlich. Wenn diese nun aber wie im Osten zugunsten der Arbeitnehmer ausfallen sollen, soll das plötzlich das Ende des Flächentarifvertrages bedeuten. Richtig ist das Gegenteil: Abweichungen nach oben machen den Flächentarifvertrag nicht schwächer, sondern stärken ihn.

Einige Betriebe darunter die VW-Werke in Sachsen und einer unserer wichtigsten Zulieferer ZF, sind diesen Weg bereits gegangen. Wie bewertest du diesen Vorgang?

Man beachte zunächst einmal die Begründung: Soziale Integration und Wirtschaftlichkeit müssen kein Widerspruch sein, so lautet es in einer entsprechenden Erklärung des VW-Vorstandes zum Thema. So etwas erwarte ich auch vom Porsche-Management. Stattdessen wurde die Forderung des PLG-Betriebsrates, Verbesserungen bei der Arbeitszeit und des betrieblichen Entgeltsystems in Verbindung mit der Bonuszahlung gebracht. Die wirtschaftlichen Ergebnisse der PLG waren in den letzten Jahren deutlich besser als in allen anderen VW-Konzerngesellschaften. Unsere Kolleginnen und Kollegen leisten einen wesentlichen Teil für den Erfolg im Porsche Konzern - deshalb darf es keinen Unterschied bei den Arbeitszeiten im Konzernverbund geben. Porsche und auch BMW in Leipzig müssen jetzt Verantwortung zeigen und mit gutem Bespiel vorangehen. Mehr als 30 Jahre nach der Wende muss die Arbeitszeitmauer fallen. Die Kolleginnen und Kollegen, die das Werk aufgebaut haben, wollen dies auch noch erleben. Die Angleichung der Arbeitszeit ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Sie ist ein längst notwendiger gesellschaftspolitischer Schritt und ein Akt der Humanisierung der Arbeitswelt und dient der Befriedung zahlreicher unnötiger Konflikte.

Einen letzten Satz?

Wir wollen jetzt ein klares Signal des Porsche-Managements, damit eine weitere Eskalation des Konfliktes vermieden werden kann. Fünf 24-Stunden-Warnstreiks haben die Entschlossenheit der Metallerinnen und Metaller klar zum Ausdruck gebracht. Wir haben das eindeutige Mandat und die Legitimation, die Angleichung zu vollenden. Mir bleibt zunächst nur, mich bei allen Porscheanern*innen zu bedanken, die sich so eindrucksvoll bei allen Aktionen beteiligt haben. Ein besonderer Dank gilt natürlich allen IG Metall Betriebsräten*innen und Vertrauensleuten.

 

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