Grundsatzurteil erwartet

Rente doppelt besteuert: Was Betroffene jetzt wissen müssen

18.05.2021 | Seit Jahren schwelt der Streit um eine doppelte Besteuerung von Renten. Nun steht eine Entscheidung bevor. Um wie viel Geld es dabei geht, wie die IG Metall den Prozess vorantreibt – und was heutige und künftige Rentner tun sollten.

Foto: ray-panthermedia.jpg

Thomas Müller* hat kein Problem damit, Steuern zu zahlen. Dass der Staat für seine zahlreichen Aufgaben Geld braucht, steht für ihn außer Frage. Was der Metaller allerdings nicht einsieht: Wenn er doppelt zur Kasse gebeten wird. Und das ist bei seiner Rente wohl der Fall.

Thomas Müller hat seine Rentenbeiträge im Arbeitsleben überwiegend aus bereits versteuertem Einkommen gezahlt. Nun wird ein Teil seiner Rente erneut besteuert.

„Das darf nicht sein“, sagt er. „Ich zahle meine Steuern und Sozialbeiträge mit Überzeugung und ohne Murren. Aber innerhalb des Sozialsystems muss es gerecht zugehen: Es gibt Pflichten, aber auch Rechte.“


Fall vor Gericht

Das sieht die IG Metall genauso und unterstützt Thomas Müller. Frank Balmes, Steuerexperte der IG Metall, hat sich dem Fall angenommen.

Das Verfahren ruht derzeit. Aber nur, weil beim obersten deutschen Steuergericht – dem Bundesfinanzhof (BFH) in München – weitere Fälle anhängig sind, die sich ebenfalls mit der Frage der doppelten Besteuerung von gesetzlichen Renten befassen. Diese Fälle können zu Musterverfahren werden. Noch im Mai 2021 will der Bundesfinanzhof seine Entscheidungen fällen.


Worum es dabei genau geht:

Die Finanzrichter beschäftigten sich in den Verfahren mit mehreren, im Detail ziemlich komplexen Fragen. Grundsätzlich müssen sie klären, ob die aktuelle Gesetzeslage tatsächlich zu einer steuerlichen Doppelbelastung von Altersrenten führt. Nach Ansicht der IG Metall trifft das zu.

Seit 2005 wird die Besteuerung von Renten umgestellt, auf eine sogenannte „nachgelagerte Besteuerung“. Das bedeutet: Die Rente wird bei der Auszahlung nach und nach steuerpflichtig. Zunächst nur zum Teil. Ab dem Jahr 2040 muss dann die gesamte Rente versteuert werden. Im Gegenzug werden die Rentenbeiträge nach und nach steuerfrei gestellt. Genauer: Sie werden vom Einkommen abgezogen, und nur der verbleibende Rest des Einkommens muss versteuert werden.

Am Ende ist diese Umstellung für Beschäftigte vorteilhaft, weil Rentnerinnen und Rentner in aller Regel niedrigere Steuersätze haben als Menschen im Erwerbsleben. Das Problem ist die 35 Jahre lange Umstellungsphase zwischen den beiden Systemen.

So wie bei Metaller Thomas Müller, Jahrgang 1952: Er hat in seinem Arbeitsleben den überwiegenden Teil seiner Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet. Zusätzlich fällt nun ein Teil seiner Rente unter die Steuerpflicht.

„Dadurch gerät die Steuerlast aus dem Gleichgewicht, das ist unfair“, sagt IG Metall-Jurist Frank Balmes. „Mit unserem Einspruch wollen wir das Gleichgewicht wiederherstellen und doppelte Besteuerung unterbinden.“


Was bedeutet das Verfahren für Rentner?

Für heutige und künftige Rentenbezieher könnten die Entscheidungen des BFH weitreichende Folgen haben. Nach Berechnungen des Finanzmathematikers Werner Siepe kann sich die Doppelsteuerung zu fünfstelligen Beträgen summieren.

Sollte der BFH die aktuelle Steuerpraxis für nicht rechtens erklären, würde das für Rentnerinnen und Rentner bares Geld bedeuten. Sie müssten dann wohl in Zukunft weniger Steuern auf ihre Rente zahlen und könnten zu viel gezahlte Steuern zurückerhalten.

Frank Balmes rät, in diesem Fall Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen; und zwar innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids. Dabei sollten Betroffene auf das BFH-Urteil verweisen. Und – falls der BFH die Fälle ans Bundesverfassungsgericht verweist – auch auf das dortige Verfahren. Dafür sollte man seine Steuerbescheide aufheben.

Denkbar ist aber auch: Der BFH beanstandet die heutige Regelung nur zum Teil. Er könnte den Finanzbehörden zum Beispiel neue Regeln vorgeben, nach denen sie die Rentenbesteuerung berechnen müssen. Dann würden die Verfahren an die zuständigen Finanzgerichte zurückgehen. Die müssten dann beurteilen, ob im Einzelfall tatsächlich eine Doppelbesteuerung vorliegt.

Der ungünstigste Fall für Rentnerinnen und Rentner wäre: Der BFH bestätigt die aktuelle Praxis. In diesem Fall würde die IG Metall den angestoßenen Musterprozess voraussichtlich weiterführen.

Für Metaller Thomas Müller ginge der Kampf um gerechte Rentenbesteuerung dann in die nächste Runde.

*Name von der Redaktion geändert

 

Quelle: www.igmetall.de, 7. Mai 2021

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