26.05.2024 | Betriebsratsvorsitzende verschiedener Industriebranchen fordern Arbeitgeber zu einem Pakt zur Sicherung von Standorten und Beschäftigung auf +++ Arbeitgeber und Staat müssen massiv in Zukunftsfelder und Infrastruktur investieren
Angesichts der angespannten Wirtschaftslage, schleppender Transformationsfortschritte und politischer Uneinigkeit in Bund und Ländern hat die IG Metall ein Elf-Punkte-Programm vorgelegt: Für ein modernes, innovatives und gerechtes Industrieland. Das Programm wurde mit den Vorsitzenden der Gesamt- und Konzernbetriebsräte großer Unternehmen aller Industriebranchen erarbeitet. Über Branchengrenzen und Unternehmensbereiche hinweg fordern sie von Arbeitgebern und Politik massive Investitionen, bessere Rahmenbedingungen und ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland.
„Die Betriebsräte kennen die Situation in den Betrieben sehr genau – die großen Herausforderungen ebenso wie die oft fragwürdigen Rezepte des Managements. Ihre klare Botschaft: Die Lage ist ernst, es steht viel auf dem Spiel, jetzt ist entschlossenes Handeln gefragt“, so die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, anlässlich eines Treffens mit mehr als 40 Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzenden in Frankfurt am Main. „Klar ist aber auch: Düstere Horrorszenarien helfen nicht weiter, genauso wenig die immer gleichen Rufe nach Flexibilisierung und weniger Sozialstaat. Wir stehen mitten in einem tiefgreifenden Umbruch. Als IG Metall werden wir alles dafür tun, dass aus diesem Umbruch ein Aufbruch für gute und sichere Arbeit wird.“
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender, drängt die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik zu mehr Tempo: „Die Probleme sind benannt, die Lösungen liegen auf dem Tisch. Die Politik – Regierung wie Opposition – muss jetzt zeigen, wie sie die Investitionen für den Jahrhundertumbau unserer Industrie hin zu einer klimaneutralen Produktions- und Wirtschaftsweise finanzieren und flankieren will.“ Auch die Arbeitgeber müssten umdenken: „Abbau und Verlagerungen sind keine Zukunftskonzepte. Wir brauchen Mut, klare Strategien und Investitionen vor Ort sowie einen Pakt zur Sicherung unserer Standorte. Wir als IG Metall sind bereit dazu.“
In ihrem Elf-Punkte-Programm fordert die IG Metall von der Privatwirtschaft wie auch von der öffentlichen Hand mehr Investitionen für öffentliche Infrastruktur und den Umbau der Industrie, einen verlässlichen Kurs bei der Mobilitätswende und einen Industriestrompreis für die energieintensive Industrie. Den notwendigen Investitionen, Förderungen und Entlastungen stehe allerdings die Schuldenbremse im Weg. Eine Reform sei daher überfällig. Die IG Metall unterstützt die Forderung nach Einführung der sogenannten goldenen Regel, die Investitionen von der Schuldenbremse ausnehmen würde. Die Neuverschuldungsgrenze sollte außerdem von 0,35 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Allein dies würde pro Jahr einen zusätzlichen Spielraum von etwa 47 Milliarden Euro schaffen, heißt es in dem Papier. Denkbar sei auch ein Sondervermögen für die Transformation.
Weiter plädiert die IG Metall für Beschleunigung bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren: Durch ausreichend Personal in den Behörden, Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung sowie durch die Streichung von Doppel- und Mehrfachprüfungen. „Wer aber unter dem wohlklingenden Motto Bürokratieabbau das Arbeitszeitgesetz aufbohren oder das Lieferkettengesetz aussetzen will, trifft auf unseren entschlossenen Widerstand!“, heißt es in dem Papier weiter.
Der umfassende Umbau der Industrie wie auch die kurzfristige Konjunkturförderung müssen sozial gestaltet werden, staatliche Förderung muss an Regeln wie Tarifbindung und Vereinbarungen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung geknüpft werden, betont die IG Metall in ihrem Programm und beklagt eine Schieflage in der gegenwärtigen Debatte: „Während wir Investitionen in die Zukunft unseres Landes fordern, setzen Parteien wie zuletzt die FDP auf Sparpolitik, sozialen Kahlschlag oder die Verlängerung der Arbeitszeiten. Wir werden weder die Abschaffung der abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren noch das Einfrieren aller neuen Sozialleistungen für drei Jahre akzeptieren. Gerecht ist, wenn starke Schultern in fordernden Zeiten mehr tragen. Konkret: Spitzenverdiener*innen und Superreiche müssen sich angemessen beteiligen. Nur mit einer fairen Lastenteilung stärken wir unsere Demokratie.“
Erarbeitet und beraten wurde das Programm im Rahmen einer Tagung der Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzenden großer Industrieunternehmen, darunter Airbus, BMW, Bosch, Daimler, Ford, Heidelberger Druckmaschinen, Infineon, Liebherr, MAN, Mercedes-Benz, Opel, Siemens, Thyssenkrupp, Volkswagen und andere. Vertreten waren alle großen Industriebranchen im Zuständigkeitsbereich der IG Metall wie Automobilindustrie, IT, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Elektroindustrie, Schienenfahrzeugbau und Stahl.
Quelle: www.igmetall.de