Streik SRW metalfloat

IG Metall fordert chinesischen Arbeitgeber auf, endlich deutsches Arbeitsrecht und Sozialpartnerschaft zu respektieren

23.04.2024 | Seit 168 Tagen streiken die Beschäftigten von SRW metalfloat dafür, dass ihre kollektiven Arbeitsbedingungen rechtssicher und auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.

Streikversammlung SRW am 23. April 2024 Foto: IG Metall

Betriebsräte und Arbeitgeber können ohne Gewerkschaft keine Regelungen über die Höhe der Entgelte oder die Länge der Arbeitszeiten, gemäß § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz treffen. Sozialpartnerschaft besteht in Deutschland aus Arbeitgebern und Gewerkschaften, die rechtsverbindlich Lohnhöhe und Arbeitszeit in Tarifverträgen festschreiben.

Die Mehrheit der SRW-Beschäftigten hat die IG Metall im vergangenen Jahr beauftragt, ihre Arbeitsbedingungen rechtssicher in einem Tarifvertrag zu regeln. Mit der örtlichen Geschäftsführung gab es dazu anfänglich konstruktive Verhandlungen, bis der chinesische Gesellschafter eingriff. Dem SRW-Geschäftsführer wurde das Mandat entzogen und er war nicht mehr legitimiert, Tarifverhandlungen zu führen und Angebote abzugeben. Mit dieser Handlung löste der Geschäftsführer des Mutterkonzerns Scholz Recycling, Yongming Qin, die Eskalation aus. Er ignoriert seitdem Gesprächsangebote und verweigert den Beschäftigten einen Tarifvertrag.

„Normalerweise gibt es in Tarifkonflikten Streit um die Bezahlbarkeit der Forderung und für eine Lösung gehen beide Parteien Kompromisse ein. In diesem außergewöhnlichen Fall lehnt ein chinesischer Arbeitgeber unverhohlen deutsches Arbeitsrecht ab und will mit allen Mitteln eine rechtssichere, kollektive Vereinbarung für seine Beschäftigten verhindern. Wir fordern den Arbeitgeber auf, endlich deutsches Recht, die Sozialpartnerschaft und die Interessen seiner Beschäftigten zu respektieren“, so Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter IG Metall Leipzig.

Öffentlich spricht Scholz Recycling seit kurzem von einer fairen Sozialpartnerschaft im Unternehmen. In der Vergangenheit haben Scholz Recycling und SRW die Entgeltentwicklung einseitig festgelegt und dem Betriebsrat zur Unterschrift vorgelegt. Damit verstoßen sie gegen § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz. Darin steht, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Das heißt, dass die bisherige Praxis keine Rechtsverbindlichkeit besitzt. Für Verhandlungen auf Augenhöhe und mit dem nötigen gegenseitigen Respekt braucht es in Deutschland zwei Parteien: Arbeitgeber und Gewerkschaften.

Am Samstag, 13. April 2024, hatten 100 streikende Kolleginnen und Kollegen der SRW metalfloat GmbH gemeinsam mit der IG Metall Leipzig dem Unternehmen einen Tarifvertrag zugestellt. Mehrmals hatten SRW und der Mutterkonzern Scholz Recycling gegenüber Medien falsch behauptet, der Tarifkommission sei ein Angebot übermittelt worden, das der Forderung entspräche. Nachfragen der IG Metall blieben diesbezüglich leider unbeantwortet bzw. es wurde mitgeteilt, dass Thomas Müller als Geschäftsführer der SRW metalfloat keine Angebote abgeben dürfe und keine Legitimation zu verhandeln besäße. Der von der IG Metall entwickelte Haustarifvertrag wurde auf Basis der vom Unternehmen veröffentlichten Werte geschrieben und entspricht den Entgelten, die der Arbeitgeber an den anderen deutschen Konzernstandorten freiwillig erhöht hat.

„Wir haben den Arbeitgeber beim Wort genommen und ihn eingeladen, den zugestellten Tarifvertrag zu unterschreiben, den Arbeitskampf damit zu beenden und einen Neustart unserer gemeinsamen Arbeitsbeziehung einzuleiten. Damit würde er auch den Unternehmenskodex erfüllen, mit dem sich Scholz dazu bekennt, das Recht auf Tarifverhandlungen zu respektieren, die Bildung von Gewerkschaften anzuerkennen und einen offenen, lösungsorientierten Umgang mit der Arbeitnehmervertretung zu verfolgen. Leider warten wir noch immer auf Antwort“, sagte Michael Hecker, Verhandlungsführer und Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig.

„Es ist vollkommen respektlos, dass der Mutterkonzern in Essingen nicht mit uns redet“, so Kathrin Kroll, Betriebsrätin und Mitglied der Tarifkommission. „Unser Vertrauen wird mit jeder neuen Anschuldigung der Arbeitgeberseite mehr zerstört.“

Seit dem 8. November 2023 streiken die Kolleginnen und Kollegen beim Schrott- und Recyclingunternehmen SRW metalfloat, einer 100-prozentigen Tochter von Scholz Recycling, für ihren ersten Tarifvertrag. Letzte Woche haben 79 Bundestagsabgeordnete einen offenen Brief an SRW metalfloat geschickt, in dem sie das Unternehmen mit Nachdruck bitten, Tarifverhandlungen mit der IG Metall aufzunehmen.

„Auf alle unsere Gesprächsangebote haben wir keinerlei Reaktion der Arbeitgeber erhalten“, so Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. „Anstatt mit uns zu verhandeln, erklärt jetzt der Arbeitgeber, dass es eine inakzeptable Einmischung der Politik sei, wenn sich demokratisch gewählte Bundestagsabgeordnete für Tarifverträge einsetzen. Für die Eskalation des Konflikts ist allein der Arbeitgeber verantwortlich. Er lehnt vehement einen Tarifvertrag ab, der in Deutschland die einzige Möglichkeit ist, Entgelt- und Arbeitszeithöhe kollektiv und rechtsverbindlich zu regeln.“

„Anstatt nach Lösungen zu suchen, täuscht der Arbeitgeber mittels PR-Agentur die Öffentlichkeit und stellt falsche Behauptungen auf, ohne Belege zu liefern. Doch die anhaltende große bundesweite Unterstützung und Solidarität aus der Politik, Bevölkerung und der Region zeigen, dass das Ringen um Mitbestimmung und einen Tarifvertrag breit getragen wird“, sagte Michael Hecker, Verhandlungsführer und Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig.

Hintergrund:

Die IG Metall fordert gemeinsam mit den Beschäftigten 8 Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1.500 Euro und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden. Der Arbeitgeber verweigert seit August 2023 die Fortführung der Tarifverhandlungen.

Die Kolleginnen und Kollegen bei SRW metalfloat verdienen knapp über Mindestlohn, im Schnitt im Monat rund 600 Euro weniger als Beschäftigte in vergleichbaren Betrieben der Schrott- und Recyclingbranche. Die Kolleginnen und Kollegen leisten täglich körperlich harte Arbeit. Sie sind hohem Lärm und starker Staubbelastung ausgesetzt. Und immer droht die Gefahr, beim Sortieren oder Fahren in Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Materialien zu kommen.

Das Unternehmen SRW metalfloat in Espenhain bei Rötha gehört als 100-prozentige Tochter zur Scholz Recycling Gruppe mit Sitz in Essingen in Baden-Württemberg. Mit der Rückgewinnung von Metallen wie Kupfer, Aluminium und Eisen erwirtschaftet die Scholz Gruppe Umsätze in Milliardenhöhe. In Leipzig arbeiten die Beschäftigten an einer sehr hochwertigen Scheide- und Rückgewinnungsanlage. Ende 2016 übernahm die Chiho Environmental Group Limited die Scholz Holding GmbH. Die Chiho Environmental Group Limited ist nach eigenen Angaben Chinas größtes Schrottrecyclingunternehmen und eines der größten börsennotierten globalen Unternehmen dieser Art. Zu den Aktivitäten gehört das Recycling von Eisen- und Nichteisenmetallschrott, Altfahrzeugen, Elektronikschrott und die Herstellung von Sekundäraluminiumbarren aus Aluminiumschrott. Die Chiho Environmental Group residiert in Hongkong und ist auf den Cayman Islands registriert. Das Unternehmen unterhält in Asien, Europa und Nordamerika mehr als 200 Verarbeitungsbetriebe und Werftbetriebe.

Die Restrukturierung der Mehrheitseigner der chinesischen Muttergesellschaft von Scholz Recycling verzögert sich seit 2023. Mehrheitseigner von Chiho ist mit rund 60 Prozent wiederum die USUM Investment Group, welche zur von Jinhua Tu kontrollierten Loncin Group gehört. Loncin ist ein Zulieferer für die Automobilindustrie in Deutschland. Diese Unternehmensgruppe befindet sich seit einiger Zeit in finanziellen Schwierigkeiten. Bereits vor einem Jahr stimmten Gläubiger und Insolvenzgericht einer Restrukturierung der Loncin-Gesellschaften zu. Diese sah den Einstieg der privaten Beteiligungs-gesellschaft China Partner Equity Investment Fund Management und der im Staatsbesitz befindlichen Investmentgesellschaft Chongqing Development Investment vor.

Durch die Muttergesellschaft Scholz Recycling GmbH wurde dem örtlichen Geschäftsführer der SRW bereits im August 2023 die Befugnis entzogen, Tarifverhandlungen zu führen. Der CEO der Scholz Recycling GmbH, Yongming Qin, ignoriert seitdem die Gesprächsangebote der IG Metall und verstößt unverhohlen gegen die eigenen Unternehmensregeln. Im Code of Conduct der Scholz Recycling, den CEO Qin unterzeichnet hat, steht, dass das Recht auf Tarifverhandlungen respektiert, die Bildung von Gewerkschaften anerkannt und ein offener, lösungsorientierter Umgang mit der Arbeitnehmervertretung verfolgt werde.

Der Code of Conduct von Scholz Recycling findet sich hier: https://www.scholz-recycling.com/wp-content/uploads/11.09.2023_Code_of_Conduct_SRG_DE.pdf

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