01.03.2024 | Seit 115 Tagen streiken die Kolleginnen und Kollegen beim Schrott- und Recyclingunternehmen SRW metalfloat im Leipziger Land für einen ersten Tarifvertrag. Der Arbeitgeber lehnt es weiterhin ab eine rechtssichere tarifvertragliche Regelung mit der IG Metall einzugehen. Gestern war Michael Kretschmer, der sächsische Ministerpräsident bei den Streikenden in Espenhain.
„Mein Grundsatz: Wir wollen ein Land sein, in dem anständige Gehälter bezahlt werden. Wir wollen nicht um Lohn konkurrieren, sondern um die Qualität der Arbeit. Und das müssen wir auch nach außen ausdrücken: Wir sind 1989 auf die Straße gegangen, weil wir genau diese Freiheit haben wollten. Weil wir das Grundgesetz haben wollten. Weil wir uns für die betriebliche Mitbestimmung einsetzen wollten. Weil wir gesehen haben, dass freie Gewerkschaften wichtig sind. Und wir erleben in unserem Freistaat Sachsen, dass dort, wo es ein anständiges Verhältnis gibt von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wo die Gewerkschaften die Chance haben, Tarifverträge abzuschließen, es auch ein besseres Miteinander gibt. Weil damit eine gemeinsame Verantwortung ausgedrückt wird. Und damit auch die Interessen der Beschäftigten in einem Betrieb im Guten wie im Schlechten miteinander vernünftig geklärt werden können“, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer in seiner Rede vor den Streikenden in Espenhain.
Stefan Schmalz, China-Experte und PD an der Uni Erfurt, beurteilt das Verhalten des chinesischen Eigentümers als eher untypisch: „Wir haben in einem Forschungsprojekt im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 294 „Strukturwandel des Eigentums“ an der Universität Erfurt chinesische Übernahmen untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass die meisten chinesischen Anleger eher kompromissbereit sind gegenüber Vertretungen von Arbeitnehmern, also Betriebsräten, und nur selten Probleme mit der Mitbestimmung oder Tarifverträgen haben.“
Und weiter: „Grundsätzlich hat Hongkong in der chinesischen Wirtschaft eine spezielle Funktion, weil es ein Finanzplatz ist. Historisch ist es so, dass Hongkong bei vielen Investitionen wie eine Drehscheibe für Finanzströme ins Ausland funktioniert hat. Unternehmen, die in Hongkong angesiedelt sind und dort arbeiten, funktionieren dann auch nach anderen Regeln wie in Festland-China. In China gibt es eine Vielfalt von Unternehmen mit unterschiedlichen Eigentumsformen: staatseigene Unternehmen, gemischte Eigentumsformen und private Unternehmen, die aber deutlich unabhängiger agieren. Doch selbst bei den privaten Unternehmen existiert immer noch ein großer Staatseinfluss. In Hongkong finden wir hingegen Ausprägungen des westlichen Finanzmarktkapitalismus, die man sonst in China nicht so stark findet.“
Verhandlungsführer Michael Hecker findet das Verhalten der chinesischen Eigentümer skandalös. „Es wirft kein gutes Licht auf Scholz Recycling als Mutter-Konzern und die chinesischen Eigentümer, die sich wegducken, anstatt an den Verhandlungstisch zu kommen. Die berechtigten Interessen seiner Beschäftigten nach Sicherheit und Tarifbindung zu ignorieren, anstatt mit uns zu verhandeln, ist unwürdig. Es ist offensichtlich, dass es bei der arbeitgeberseitigen Ablehnung eines rechtssicheren Tarifvertrags nicht um die Bezahlbarkeit unserer Forderung geht. Vielmehr scheint der Arbeitgeber, die in Deutschland geltende Tarifautonomie ideologisch abzulehnen. Anders ist die Widersprüchlichkeit des Arbeitgebers zwischen seinem realen Handeln und den eigenen Lippenbekenntnissen aus dem Code of Conduct nicht zu erklären. Darin versichert Scholz Recycling, dass das Recht auf Tarifverhandlungen respektiert, die Bildung von Gewerkschaften anerkannt und ein offener, lösungsorientierter Umgang mit der Arbeitnehmervertretung verfolgt wird. In Wirklichkeit hat die Scholz Recycling GmbH dem örtlichen Geschäftsführer der SRW bereits im August 2023 die Legitimation entzogen, mit der IG Metall Tarifverhandlungen zu führen oder gar diesbezüglich Angebote abzugeben. Anders lautende Aussagen sind eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit.“
Grußbotschaften sind per E-Mail an soli-srw(at)igmetall.de möglich.
Außerdem ist ein Solispendenkonto eingerichtet worden, mit dem die Streikenden unterstützt werden können: Empfänger: IG Metall, IBAN: DE 23 5005 0000 0000 0010 40 (Verwendungszweck Soli SRW).