111. Streiktag bei SRW metalfloat

Interview mit Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn zum Streik bei SRW metalfloat

26.02.2024 | Am 26. Februar 2024 streiken die Kolleginnen und Kollegen bei SRW metalfloat im Leipziger Land inzwischen 111 Tage. Nach wie vor verweigert der Geschäftsführer des Mutterkonzerns Scholz Recycling im baden-württembergischen Essingen jeglichen Kontakt zu den Streikenden. Scholz Recycling wurde 2016 vom chinesischen Gesellschafter Chiho Environmental Group übernommen. Wir haben mit dem Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn über den Streik gesprochen.

Wirtschaftswissenschaftler Gustav A. Horn - Foto: privat

Die Beschäftigten bei SRW arbeiten im Dreischichtbetrieb, 40 Stunden in der Woche bei einem Stundenlohn von rund 13,60 Euro pro Stunde. Die IG Metall fordert gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von SRW metalfloat 8 Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1.500 Euro und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 38 Stunden. Wie beurteilen Sie die Forderungen der Beschäftigten im Schrott- und Recyclingunternehmen?

Die Entlohnung und auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei SRW sind deutlich unter dem branchenüblichen Tarifvertrag. Insofern ist der Streik absolut berechtigt. Sie fordern ja nur, dass sie Beschäftigten in anderen Unternehmen gleichgestellt werden. Und wenn andere Unternehmen mit diesen Kosten wettbewerbsfähig produzieren können, dann sollte es dieses Unternehmen auch können. Denn ansonsten hätten es auf dem Markt nichts verloren.

Können Sie nachvollziehen, warum die Arbeitgeberseite einen so harten Konflikt provoziert?

Die Provokation für die Arbeitgeber ist wahrscheinlich die Etablierung eines Tarifvertrages. Arbeitgeber mögen in der Regel Tarifverträge nicht, weil Tarifverträge ja der Schutzschirm für die Beschäftigten sind. Denn die Beschäftigten haben sich zusammengeschlossen und damit mehr Verhandlungsmacht. Arbeitgeber verhandeln lieber mit Einzelnen. Denn die Einzelnen sind deutlich weniger mächtig als die Gesamtheit der Beschäftigten. Und deshalb sind sie so hartnäckig in der Verweigerung eines Tarifvertrages.

Seit 100 Tagen streiken die Kolleginnen und Kollegen von SRW metalfloat in Espenhain. Der chinesische Geschäftsführer verweigert bisher jeglichen Kontakt. Haben Sie einen ähnlichen Fall schon einmal erlebt?

Nein, den habe ich persönlich nicht erlebt. Nun bin ich kein Branchen-Experte, aber ich weiß, dass eigentlich chinesische Eigentümer immer sehr genau darauf achten, sich an die Gesetze eines Landes, in dem sie tätig sind, zu halten. Mich überrascht dieses Verhalten, das hier an den Tag gelegt wird, etwas. Es ist eher untypisch. Wahrscheinlich möchten sie eine besonders hohe Rendite erzielen und deshalb sind sie so hartnäckig.

Haben chinesische Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten mit der Mitbestimmung und Tarifbindung?

Eigentlich nicht. In der Regel kommen Untersuchungen zu dem Schluss, dass sich chinesische Arbeitgeber eigentlich strenger an die Mitbestimmungsgesetze halten als beispielsweise Unternehmer aus dem angelsächsischen Bereich, denen Mitbestimmung eigentlich viel fremder ist. Aber hier haben wir offensichtlich den Fall vorliegen, bei dem ein chinesischer Arbeitgeber die gleichen Praktiken an den Tag legen will wie andere eher angelsächsisch orientierte Unternehmen.

Wie gehen wir in Deutschland mit internationalen Großkonzernen um, die eine Tarifpartnerschaft ablehnen? Was bedeutet das eventuell für die Vergabe von steuerfinanzierten Fördergeldern?

Nun grundsätzlich gilt, dass ein solcher Arbeitskonflikt eben zwischen den Beschäftigten beziehungsweise deren Gewerkschaften und dem Unternehmen beziehungsweise dem Unternehmensverband ausgetragen werden muss. Der Staat mischt sich grundsätzlich nicht ein. Aber natürlich gibt es Tariftreuegesetze im öffentlichen Sektor, die die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an eine Tarifgebundenheit binden . Und hier wäre dann natürlich ein solches Unternehmen benachteiligt. Es könnte keine öffentlichen Aufträge entgegennehmen, wenn es nicht einen Tarifvertrag hat.

Können Sie sich eine mögliche Lösung für den Tarifkonflikt vorstellen?

Über die materiellen Bedingungen wird man verhandeln müssen. Ob sofort eine exakte Anpassung an den Branchendurchschnitt und die Branchentarifverträge erfolgt, dass wird eben das Verhandlungsergebnis zeigen. In einem Punkt würde ich an Stelle der Beschäftigten aber knallhart sein: Es muss einen Tarifvertrag geben. Wenn man den Tarifvertrag hat, kann man auf diesem aufbauen. Wenn es keinen Tarifvertrag gibt, sind die Beschäftigten alle einzeln den Arbeitgebern ausgeliefert.

Herzlichen Dank!

Das Interview führte Andrea Weingart

 

Gustav A. Horn
apl. Professor für VWL Universität Duisburg-Essen
Vorsitzender der Keynes Gesellschaft
 

 

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