Streik SRW - Interview mit Vestas-Kollegen

Nach 123 Tagen Streik beim Windenergieanlagenhersteller Vestas haben die Kolleginnen und Kollegen erstmals Tarifvertrag durchgesetzt

08.12.2023 | Es war eine harte Strecke: 123 Tage haben die Kolleginnen und Kollegen beim Windenergieanlagen-Weltmarktführer Vestas gestreikt. Im Juli 2023 gab es dann endlich eine Einigung. Das Ergebnis: Tarifvertrag, Inflationsausgleichsprämien, mehr Geld und Altersteilzeit. Der Streik bei Vestas zählt zu einem der längsten Streiks in der Geschichte der IG Metall. Ein Interview mit Björn Carstens, Servicetechniker bei Vestas im Großraum Hamburg, Betriebsrat, Vertrauensmann und Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission

Björn Carstens, Vertrauensmann und Betriebsrat bei Vestas - Foto: Markus Scholz

Im Mai 2023 vor dem Windgipfel in Berlin - Foto: Christian von Polentz

Im Dezember 2022 am Hauptsitz von Vestas in Aarhus/ Dänemark - Foto: IG Metall

Björn, wie habt Ihr es geschafft, als Streikende so lange durchzuhalten?

Die Kommunikation unter uns Kolleginnen und Kollegen hat uns unglaublich gestärkt. Der Arbeitgeber hat ständig versucht, uns zu demoralisieren bzw. uns zu entmutigen. Beispielsweise wurde ständig betont, dass wir ja nur eine Minderheit in der Belegschaft seien und die im Kern 300 Streikenden nicht die gesamte Belegschaft vertreten würden. Mit der Zahl 300 wussten wir was anzufangen und haben Sie für unseren Arbeitskampf positiv nutzen können. Ab dem Zeitpunkt wurden aus der „Minderheit“ die sogenannten „300“. Wir haben uns gegenseitig Mut gemacht, viel miteinander geredet und es war uns bewusst, dass unser Arbeitskampf ein Marathon werden würde. Wir haben immer zwei, drei Tage vorher etwas geplant, um alle zu ermutigen.

Ihr arbeitet als Servicetechniker verstreut über das ganze Bundesgebiet. Wie können wir uns Euren Streik vorstellen?

Wir haben uns zweimal am Tag in digitalen Meetings getroffen. Das gab es bis dahin noch nicht. Unser digitales Streikzelt hat sehr gut funktioniert. Unser IG Metall-Team in Rendsburg hat die Meetings immer super vorbereitet. Mit viel Engagement haben sie spannende Gesprächspartner/-innen, Kolleginnen und Kollegen aus anderen Betrieben und Regionen eingeladen. Das Team hat extrem gute Ideen umgesetzt und sehr strategisch und gut vorausgeplant. Für uns war es immer eine extreme Stärkung.

Ihr habt eine hohe Solidarität aus der ganzen Bundesrepublik erfahren. Wie habt Ihr das erlebt?

Überwältigend! Wir haben in unseren digitalen Meetings die Grußbotschaften vorgelesen und kommentiert. Es kamen auch Bilder und Videos, die teilweise über WhatsApp weitergeschickt wurden. Viele haben sich live zugeschaltet. Auch wahnsinnig viele Spenden trafen ein. Das hat natürlich sehr geholfen. Das war wirklich ein Traum. Wir konnten so Kolleginnen und Kollegen in einem finanziellen Engpass helfen.

Welche Aktionen hast Du besonders intensiv in Erinnerung?

Gut war es natürlich auch, sich mal zu sehen. Wir haben das spaßig „Klassenfahrt“ genannt. Arbeitskampf heißt nicht Arbeitstanz. Das ist schon hart, aber wir haben versucht, dass Aktionen Spaß machen – so dass die Laune stabil bleibt. Wir waren gemeinsam am Hauptsitz in Dänemark, haben in Hamburg demonstriert. In Berlin haben wir uns vor dem Wirtschaftsministerium getroffen. Wir hatten auch Einladungen in den Bundestag und konnten beispielsweise bei der Fraktion der Linken reden und auch die SPD hat uns zu sich eingeladen und tatkräftig unterstützt. Beispielsweise hat uns auch die schleswig-holsteinische SPD in den Landtag eingeladen.

Wie ist die Stimmung in Eurer Belegschaft nach dem erkämpften Ergebnis?

Es gab erstmal eine positive Erleichterung und dann auch Leere. Die Last war von den Schultern abgefallen. Wir mussten uns richtig entwöhnen nach dieser intensiven Zeit. Durch WhatsApp-Gruppen und Teams-Sitzungen haben wir aber weiter Kontakt gehalten und sind immer noch in einem sehr guten Kontakt. Unsere Gruppe besteht weiter und ist offen für neue Leute. Wir wissen, dass weitere Runden auf uns zukommen.

Habt Ihr einen Tipp für unsere Kolleginnen und Kollegen bei SRW metalfloat?

Niemals aufgeben! Haltet durch! Egal, was kommt: Es gibt jetzt nur noch Euch! Lasst Euch nicht spalten. Egal, wer das versucht. Ihr seid der Motor dieses Arbeitskampfes. Und mit der IG Metall an Eurer Seite holt Ihr Euch Euren Tarifvertrag! Ihr werdet es schaffen! Wir die Vertrauensleute und Organisierten der Vestas Deutschland GmbH stellen sich solidarisch an Eure Seite und stehen zu 100 Prozent hinter Eurem Arbeitskampf.

Das Interview führte Andrea Weingart.

Grußbotschaften sind auch per E-Mail an soli-srw(at)igmetall.de möglich. Außerdem ist ein Solispendenkonto eingerichtet worden, mit dem die Streikenden unterstützt werden können:

Empfänger: IG Metall

IBAN: DE 23 5005 0000 0000 0010 40 (Verwendungszweck Soli SRW).

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